Point of no Return!
Heute ist mal wieder einer der Tage
wie er schöner kaum sein könnte. Es ist Wochenende, ein
langes zudem, und ich befinde mich
bei herrlichstem Wetter auf der Fahrt in den Norden.
Weil dort möchte ich in einer
kleineren Ortschaft mit dem Namen Leer jemanden besuchen
den ich schon seit einigen Jahren
nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte .
Auch wenn dieser Besuch nicht dem
Zweck diente selbst mal wieder seit langer Zeit etwas
weibliches kennenzulernen, da diese
Bekannte von mir auf dem Weg war sich in den Hafen
der Ehe zu begeben. Weil sie vor
Jahren einmal einen besonderen Platz in meinem Freundeskreis
innehatte, und nur durch ihren
zukünftigen Mann so weit weg gezogen ist, nehme ich die Strecke
dorthin in kauf. Nein jeder der
mich kennt, weiß auch um meine Leidenschaft was das Autofahren
angeht. Also warum sollte ich dann
nicht angenehmes mit dem nützlichen verbinden? Und vielleicht
trifft man(n) ja auf solch einer
Feierlichkeit noch selbst eine nette Frau.
Naja, ich hatte ja massenweise Zeit
und daher hatte ich mir eine Route über Landstraßen und
Nebenstrecken rausgesucht, Yasmin
erwartete mich ja erst gegen frühen Abend bei Ihr. Und bis
zur Hochzeit am morgigen Samstag
hatte sie sicherlich noch mehr als genug zu erledigen.
Ich hatte ja keine Ahnung auf was
für Straßen ich mich selbst mit dieser Planung befördert
hatte, aber die vorüberziehenden
Landschaften waren so abwechslungsreich wie andere Welten.
Malerische Orte zwischen großen
Weideflächen und Gewässern, schier endlos wirkende Wälder
und ein ständiges auf und
ab, auf Wegen die genausogut durch die Alpen hätten führen können.
Und genau durch diese Landschaften
muß ich dann irgendwo und irgendwann mal total abseits
meiner eigentlichen Strecke gelandet
sein. Jedenfalls hatte ich mich glatt um 200KM verfahren, sowas
war mir bisher ja nur in anderen
Ländern und bei Nacht passiert. Eine peinliche Situation könnte
man schon fast sagen, aber die
hatte ja zum Glück niemand mitbekommen, also brauchte ich auch
keinerlei Angst wegen dem dummen
Geschwätz meiner Kumpels zu haben. Und die verlorene Zeit
konnte ich ja durch mein früheres
wegfahren auch vertuschen!
Ich wußte jedenfalls nicht
mal mehr in welchem Deutschen Mittelgebirge ich mich gerade
befand, so arg hatte ich mich verfahren.
Und wie sollte es auch anders sein, weit und breit
niemand der einen auf den rechten
Weg zurück bringen konnte! Nach weiteren Minuten in
der offensichtlich falschen Richtung
gelangte ich dann mal an eine Tankstelle wo ich zumindest
mal in Erfahrung brachte wo ich
nun überhaupt gestrandet war. Mit vollem Tank und einer
neuen Karte machte ich mich dann
auf den direkten Weg nach Leer, auf einer Linie die mich
zwar durch recht dünn Besiedeltes
Gebiet führte, aber dafür der Kürzeste war!
Klappte auch alles Hervorragend
auf der Straße, kein Verkehr und so gut wie keine Häuser
seit fast einer Stunde im Blickfeld.
Voraus begann sich die Straße mal wieder einen Hang
hochzuwinden, auf dem schon von
weitem sichtbar ein kleineres Schloß oder Burg thronte.
Der Zufahrtsweg zu diesem Gemäuer
wirkte im Vorüberfahren recht unbenutzt, doch die in
einer Koppel weidenden Pferde und
der aufgeräumte und Saubere Gesamteindruck, straften
meine Anfängliche Vermutung,
es handele sich hierbei um ein Verlassenes Gemäuer lügen.
Doch wer will schon soweit abseits
der Zivilisation leben fragte ich mich da innerlich schon.
Doch diese Frage war Sekunden später
auch schon wieder wie wegradiert, da die abfallende
Straße meine volle Aufmerksamkeit
verlangte. In leichten Serpentinen ging es wieder runter
ins nächste Tal, wo außer
schier endlos wirkenden Wiesen keinerlei Behausung zu sehen
war, selbst auf der anderen Seite
war nichts außer der Asphaltstrecke, was auf eine Menschliche
Anwesenheit schließen ließ.
Dabei sehen auf allen Karten die Entfernungen zwischen Orten
immer so gering aus. Aber hier
befand ich mich offensichtlich in einer Ecke wo sich Hase
und Fuchs gute Nacht sagen, wenn
die beiden nicht auch schon ausgewandert waren...!
Hatte jedenfalls etwas Romantisch-Verwunschenes
an sich dieser Landstrich. Überwiegend
letzteres für mich, als sich
mein bis dato Treuer Mitstreiter und Weggefährte, ohne
ersichtlichen Grund verabschiedete.
Und dies nicht mit lautem Knall, sondern der Umgebung
angepaßt ganz leise!
Einfach die Weiterfahrt verweigert
ohne ersichtlichen Grund, Tolle Wurst, erst verfahren
und nun dieses.
Nun wurde es wirklich langsam Zeit
Yassi, und auch einer Werkstatt oder dem ADAC, auf
meine inzwischen doch recht bescheidene
Lage aufmerksam zu machen. Zudem die von
vorne heranziehenden Wolken nicht
gerade meine Laune heben konnten, die sahen nämlich
verteufelt stark nach Regen aus!
Aber da solche Mißgeschicke
selten alleine auftauchen mußte ich feststellen, was ich mir als
Mitarbeiter einer Richtfunkfirma
hätte eigentlich schon denken können: Hier in der Einöde
gab es nicht die Spur eines Mobilfunkmastes,
und somit waren auch jegliche Anrufversuche
zum Scheitern verurteilt. Worauf
mir nur eine Möglichkeit blieb, die gleichzeitig aber auch
meine Frage klären würde.
Ich mußte die paar Kilometer zurück den Berg hinauf zu dem
Schloß, da würde ich
ja dann auch erfahren wer dort lebt! Und Sicherlich konnte ich von
dort oben aus jemanden anrufen
um mein Auto reparieren zu lassen.
Also habe ich mich auf den Weg gemacht
und dabei bestimmt sämtliche Schimfwörterkanonaden
vor mich hingebrabbelt die mir
geläufig waren. Nach einer vollen Stunde und mit Auftreffen der
ersten schweren Regentropfen erreichte
ich den Stichweg zum Haus hoch. Wenigstens hier ließ
mich mein Glück nicht im Stich,
anhand der beleuchteten Fenster konnte ich erkennen, hier
herrschte Leben in der Hütte!
Eine Party fand dort nicht gerade statt, da nur zwei Fenster zur
Seite und eines nach vorne heraus
beleuchtet waren. Eher ein Romantischer Abend bei
Kerzenschein, wie mir die flackernden
Reflexe im Fenster verrieten. Doch bei meiner mißlichen
Lage konnte ich auf solche Nebensächlichkeiten
keinerlei Rücksicht nehmen, ich wollte zudem
ja nur einen Anruf tätigen
und dann wieder verschwinden.
An der Haustür angekommen,
welche eher schon einem mittelschweren Portal glich, suchte ich
erstmals Vergebens eine Klingel.
Bis auf einen schweren Klopfer in der Türmitte der mit
Einhörnern, Zentauren und
Löwenabbildern geschmückt war, konnte ich auch nach genauester
Suche nichts finden. Also mußte
ich wohl dieses Ungetüm der Schmiedekunst in Bewegung
bringen, der daraus entstandene
Ton setzte sich mit dumpfem Geräusch bis in die letzten Ecken
des Hauses fort. Dieses Geräusch
schien aber auch dem Himmel als Zeichen gedient zu haben
seine Pforten endgültig zu
öffnen, weil daraufhin begann jemand Eimerweise Wasser von oben
auf mich runter zu schütten.
Bei dem ganzen Lärm des auftreffenden Wassers ist mir wohl das
öffnen der Tür entgangen,
erst als ich dichter an diese herantreten wollte, bemerkte ich schon
halb in der Halle zu stehen. Diese
war angefüllt von Rüstungen, Brokatwandbehängen und
riesigen Leuchtern, deren Kerzen
einen warmen freundlichen Ton im ganzen Raum verbreiteten.
Dieser Anblick konnte einem glatt
in eine andere Zeit versetzen so schön war es hier. Doch dann
bemerkte ich auch die Person die
mir so leise die Tür geöffnet hatte, und da setzte mein Herz
schier für einen Moment aus.
Jetzt fühlte ich mich erstrecht
wie in eine andere Zeit versetzt, weil die Lady die an der Tür stand
und mich leicht spöttisch
musterte, geradewegs aus dem Film “Robin Hood“ stammen konnte.
Sie war etwa 1,60m groß
mit langem wallendem braunrotem Haar und den betörendsten Augen
die ich seit Ewigkeiten gesehen
hatte.
Dieser Blick schien mich geradezu
in einen Abgrund zu ziehen aus dem es kein Entkommen gab.
Und dann Ihre Kleidung, sie hatte
ein grünlich schimmerndes Kleid aus einem Stoff an, welcher
wie Seide wirkte. Diese Farbe stand
in nahezu Perfektem Einklang mit ihren Haaren und wirkte
richtiggehend Edel. Wogegen ich
mit meiner schwarzen Jeans und rötlich schimmerndem Hemd
aussah wie ein Vagabund. Doch im
Beisein dieser Frau hätte ich anhaben können was ich wollte
und ich wäre nicht herangekommen,
so Unglaublich sah Sie aus.
Ihr Gesicht hatte noch immer diesen
leicht Spöttisch-fragenden Ausdruck aber auch eine angenehme
Wärme und Zuneigung gingen
von ihr aus.
Ich muß sie jedenfalls mal
angestarrt haben wie den ersten Menschen, aber so erschien sie mir
auch wirklich. So eine Traumhafte
Frau abseits jeglicher Zivilisation war auch mehr wie
verblüffend. So richtig klein
und unbedeutend kam ich mir allerdings erst vor als ich ihre
rauchige Stimme vernahm, welche
mich fragte wie Sie mir helfen könne.
Ich stotterte schon einigemale,
bis ich den Grund meines Erscheinens vor Ihrer Tür mit wenigen
Sätzen versuchte zu erklären.
Als ich mich erstmals in diesem
Raum umsehen konnte, hat sich schon ein leiser Verdacht in
mir aufgebaut, der durch Ihre folgenden
Worte nur noch bestätigt wurden. “Hier in diesem
Haus werden sie kein Telefon finden,
auch elektrischer Strom wurde nie bis hier verlegt.
Sowas finden Sie nur 18Km entfernt
im nächsten Ort.“
Worauf ich wohl noch etwas verdatterter
aus der Wäsche geschaut haben muß wenn ich
mich an ihren Gesichtsausdruck
zurück erinnern kann. Als ich darauf aber angesetzt hatte
mich zu Entschuldigen und den Rückzug
anzutreten, gebot sie mir mit der Hand schweigen.
Weil auf ihre Frage, wo ich denn
nun zu gedenke hinzugehen bei diesem Wetter, wußte
ich auch keine plausible Antwort.
.....Ein Lächeln huschte über
ihr Gesicht, wie der flüchtige Lichtstrahl einer
Kerze.
"Der junge Mann sieht aus wie ein
nasser Kater." dachte sie amüsiert. "Doch
ich habe lange niemanden mehr getroffen,
der so höflich ist." Sie wußte
selbst nicht, warum diese kurze
Begegnung sie mit solcher Freude erfüllte. Freude
war etwas seltenes geworden in
ihrem Leben und nun stieg sie in ihr auf wie
reines Wasser aus dem Grunde eines
lange versiegten Brunnen.
"Sie haben sich wenigstens die
rechte Zeit ausgesucht für ihr Mißgeschick.
Ich hatte gerade den Tee fertig
und würde mich freuen, wenn ich ihnen eine
Tasse anbieten kann. Ich fürchte
es gibt nur etwas Brot und Obst dazu, denn ich
bin noch nicht zum einkaufen gekommen
seit ich das Gebäude für meine Tante
hüte, die sich auf einer Kur
befindet."
Überrascht verstummte sie.
Was erzählte sie diesem Fremden denn da alles?
Jetzt konnte er sich sicher denken,
daß sie allein in diesem großen Haus war.
Sie warf einen verunsicherten Blick
auf ihn, doch er sah sie so sanft an mit
diesen braunen Augen, daß
ihre Zweifel sich wieder zerstreuten. Wie unhöflich
von ihr, ihn in diesem Zustand
dort rumstehen zu lassen. Wo blieb nur ihre
Erziehung?
"Kommen sie doch bitte mit in die
Küche."
Sie lächelte entschuldigend.
"Ich esse immer dort wenn ich allein hier...."
Verwirrt unterbrach sie ihren Satz.
Sie war einfach viel zu vertrauensselig.
Ihre Tante würde sich wieder
mächtig aufregen, wenn sie ihr davon erzählte.
Sie eilte ihm voraus in die alte
Küche, die Ausmaße hatte wie ihre gesamte
kleine Wohnung zuhause, aber immer
noch gemütlicher war, als der altertümliche
Speisesaal. Sie deutete auf den
gedeckten Tisch, als sie sich zu dem jungen
Mann umwandte.
"Bitte, setzten sie sich schon
mal. Ich hole ihnen solange ein paar
Handtücher, damit sie sich
abtrocknen können." Sie lächelt ihm zu und sein
Lächeln ließ ihr Herz
etwas schneller schlagen.
Sie hatte sich schon fast zum gehen
gewendet, als ihr noch etwas einfiel.
"Ich heiße übrigens
Mia." sagte sie und eilte dann schnell aus der Küche.
Wieso hatte sie ihm eigentlich
ihren Vornamen genannt? Das Pochen ihres
Herzens verwirrte ihre Gedanken
und ließ sich auch nicht beruhigen, als sie zwei
große Handtücher aus
dem Wäscheschrank zog.
Was war, wenn seine Sachen auch
durchnäßt waren? Es war nicht mal im
Sommer besonders warm in diesem
alten Gemäuer. Da diese Überlegungen
sie aber noch viel stärker
verwirrten, schob sie sie erst einmal beiseite.
Mit den beiden Handtüchern
im Arm ging sie in die Küche zurück, wo er noch immer stand.......
ENDE 1.Teil